Winterpanorama Val d'Isère © Sandra Augustin

Freeride in Frankreich  
Von Sandra Augustin

Immer mehr Skifahrer scheinen von dem "Freeride-Virus" infiziert zu sein. Hat es einen einmal erwischt, so wird man diesen Virus nicht wieder los. Er zieht einen "off piste", ins Gelände, fern ab von Pisten und Liften, um dort im jungfräulichen Pulverschnee Spuren seine Spuren zu ziehen. Das Freeride-Virus verbreitet sich bereits nach einer Abfahrt unaufhaltsam aus und lässt einen nicht mehr los. Typische Symptome sind ein Kribbeln in den Füßen und den Drang "off piste" fahren zu wollen, sobald das Wort "Skifahren" fällt!

Ski in Les Menuires @ Pascal Lebeau

Was ist dran an dem Freeride? Warum sind alle so fasziniert davon und nehmen das Risiko in kauf von einer Lawinen überrascht zu werden?

Die französischen Skiresorts bieten ein unheimlich breites Spektrum für alle Freeride-Fans und die, die es werden wollen. Aber was ist so besonders an den französischen Skiregionen? Es scheint die Größe des Skigebiets zu sein und somit die Anzahl an Hängen, die in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stehen. Sie sind eine super Destination für alle Skitour-Fans und Freerider.

Nehmen wir die beiden Skiresorts Les Menuires und Val d'Isère. Sie sind grundverschieden, dennoch haben sie eins gemeinsam: ein großes Angebot an Freeride-Möglichkeiten. Wieso haben die Franzosen diese scheinbar unendlichen Weiten an unerschlossenen Bergen zum Freeriden? Weil in Frankreich schon seit längerem keine neuen zusätzlichen Lifte mehr gebaut werden dürfen, um das Skigebiet noch zu erweitern. Dies bedeutet, dass die Skigebiete maximal erschlossen sind.

Da Val d'Isère eigenständig ist und sich in der Vergangenheit keinem Verband angeschlossen hatte und seine Entscheider sich früher nicht zu einem weiteren Ausbau der Liftanlagen durchringen konnten, besitzt Val d'Isère im Verhältnis zu den anderen Skiresorts ein kleineres erschlosseneres Skigebiet. Was für Val d'Isère ein ursprüngliches Disaster war, entpuppt sich nun als Segen. Denn dadurch erstrecken sich die präparierten Pisten und die Skilifte auf ein kleineres Gebiet im Vergleich zu den anderen Skiresorts. Was nicht bedeutet, dass sich Val d'Isère mit seinen 300 Pistenkilometern verstecken muss, nein ganz im Gegenteil. Deshalb ist das Angebot für "Freeride" in unmittelbarer Nähe riesengroß. Demnach ein Mekka für alle Skitour-Fans und Freerider.

Foto: © Office du Toursime Val d'Isère

Und dieses Potential haben die Val d'Isèrer erkannt. Sie haben sich ziemlich gut auf den neuen Trend eingestellt. In der Wintersaison wird fast eine Auslastung von 100 Prozent erreicht. Val d'Isère ist für ambitionierte Skifahrer/Sportler super geeignet. Mit über 20 Skischulen und über 700 Skilehrern sind sie voll auf Sport eingestellt. Das Angebot an Leihski ist enorm und die Beratung ist professionell. Schnell sind die passenden Skiboots gefunden, ob für Telemark, Skitour, Alpine oder Langlauf….und dazu passend auch der entsprechende Ski und natürlich die restliche Ausrüstung. Die Bindungen werden optimal eingestellt, so dass diese perfekt im richtigen Moment auslösen.

Für die Freeride- und Skitour-Fans wird jeden Montag ein kostenloser Lawineneinführungskurs angeboten. Hier werden die Basics, die jeder wissen sollte, der off-piste unterwegs ist, vermittelt. Besser noch ist es bei spezialisierten Anbietern wie zum Beispiel "Top Ski" eine Tour zu buchen. Das Angebot ist reichhaltig. Hier gibt es Touren mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Von einfach bis anspruchsvoll, von Halbtagestouren bis Ganztagestouren. Wem das noch nicht reicht, der kann hier auch Heliski buchen. Also für jeden ist etwas dabei! In einer Buchung enthalten sind ein zertifizierter Guide, der sich im Gelände auskennt und das erforderliche Off-Piste-Equipment. Darin enthalten sind der ABS-Rucksack mit Schaufel, Sonde, LVS-Gerät und Airbag mit Gaspatrone. Da so eine Ausrüstung für "off-piste" zwingend erforderlich ist und nicht jeder sich gleich so eine Ausrüstung anschaffen will,(da diese ein paar Hundert Euro kostet), ist dies eine super Sache. Denn die Sicherheit steht an erster Stelle!

Um mir ein Bild von der ganzen Angelegenheit zu machen, ob "freeride" nun wirklich sooo toll ist wie alle behaupten, habe ich beschlossen die Tour "Mont Roup" (Schwierigkeitsstufe 2 von 5 und Ausdauer 2 von 5) mitzumachen. Ich würde mich als sportlich durchaus gut konditionierte Freizeitsportlerin aus dem Norden Deutschlands bezeichnen und habe mich auf die Herausforderung gefreut. Meine erste Skitour! Nachdem ich nun das Equipment ausgehändigt bekommen habe und der aktuelle Lawinenlagebericht gecheckt wurde, geht es einmal quer über die Straße zu den Liften von Bellevarde. Boris unser Guide für heute meinte: " Die längste Zeit die man am Tag bei den Liften warten muss, ist jetzt hier an der Talstation. Maximal 15 Minuten anstehen, länger nicht. Oben verläuft es sich." Tatsächlich waren nirgendswo oben im Skigebiet Warteschlangen zu erkennen.

Sessellift Granges im Skigebiet Les Menuires © C. Cousin

Es bleibt jedoch nicht viel Zeit zum Schauen, denn die Einweisung in den ABS-Rucksack begann zügig. Der Griff wird an die Auslösereinheit via Schnellkupplung angeschlossen. Zum Liften wird die Sicherheitslasche um den Griff gelegt, damit der Airbag nicht versehentlich im Lift ausgelöst wird und im Gelände wird die Sicherheitslasche wieder gelöst. "Aber wann muss ich an dem Griff ziehen um den Airbag auszulösen?" habe ich gefragt. "Wenn der Schnee unter deinen Ski schneller ist, als du", war die Antwort. Es gab noch kurze Instruktionen, wie Notfallnummer 112, Name des Bergs zu dem wir uns nun auf den Weg machen, dass im Gelände ein größerer Sicherheitsabstand zwischen den einzelnen Teilnehmern eingehalten werden muss, und dass die Schlaufen von den Stöcken im Gelände nie benutzt werden dürfen, da bei einem Sturz die Stöcke unglücklich liegen können, (so dass die Schlaufen die Hände fesseln und der Handgriff zum Auslösen des Airbags nicht gezogen werden kann). Zum Schluss noch der Hinweis dass beim Abnehmen des Rucksacks daran zu denken ist, vorher den Griff von der Auslösereinheit zu entkoppeln. Sonst macht es "Peng" und der Airbag wird ausgelöst.

Im Skigebiet Val d'Isère © Sandra Augustin

Jetzt kann es losgehen! Die ersten Schwünge abseits der Pisten werden gemacht und die Ski gleiten geschmeidig durch den frischgefallenen Neuschnee. Es ist förmlich ein Dahinschweben. Selbst für Einsteiger (Freeride) ist es mit dem richtigen Ski kein Problem. Jetzt nur daran denken, nie in die Rückenlage und nie das Gewicht auf nur ein Bein verlagern. Die Beine sind eins. Was das eine Beine macht, macht das andere auch. Also enge Skiführung und wenn das alles klappt dann muss nur noch der eigene Rhythmus für die Schwünge gefunden werden. Und siehe da, es funktioniert!!!

Nach kurzem Einfahren ist der Startpunkt für die Skitour erreicht. Nun werden die Felle ausgepackt und unter die Ski geklebt. Außerdem wird die Bindung hinten vom Ski entkoppelt, an den Skistiefeln werden die Schnallen geöffnet, (da es sonst Blasen oder Krämpfe gibt), die warme Jacke und der Helm werden im Rucksack verstaut und Stöcke auf die richtige Länge eingestellt. Zuletzt wird der ABS- Rucksack angelegt und über Funk hat Boris noch kurz den Standort an die Zentrale weiter gegeben. Dann ging es endlich los. Trotz guter Grundkondition dauerte es nicht lange, bis der Puls auf gefühlte 170 Schläge kam und mir trotz der Minustemperatur ohne Jacke der Schweiß auf die Stirn trat. Nicht so schnell beginnen, heißt die Devise. Immer schön langsam. "Step by Step" von den New Kids On The Block schoss es mir plötzlich in den Kopf. Diese Melodie vor mich hin summend, ging ich im eigenen Tempo vorwärts. Die richtige Technik spart Energie. Ein Anheben der Ski ist Verschwendung, Vorwärtsschieben reicht völlig aus und schont die Beinmuskeln. Die Arme werden nur zum Halten der Balance eingesetzt. Trotz dieser Technik, lief mir der Schweiß den Rücken herunter. Langsam und fern von Lärm und Pisten bewegten wir uns durch die wunderschöne Landschaft. Ist der persönliche Rhythmus einmal gefunden, ist es ein irres Gefühl trotz der körperlichen Anstrengung! Der Schnee der wunderschön in der Sonne glitzerte und funkelte, die gigantischen Bergkämme um einen herum und der strahlen blaue Himmel – Wahnsinn wie schön es dort ist! Entschleunigung pur! Es hat direkt etwas Meditatives.

Winterpanorama Val d'Isère © Sandra Augustin

Gipfelglück: die Autorin ganz oben.

Nach einer Stunde bergauf ist es geschafft. Der Peak von Mont Roup ist erreicht und ich habe jeden Muskel meiner Beine gespürt. Nun liegen 350 Höhenmeter hinter uns und vor einem offenbart sich eine grandiose Aussicht. Berge soweit das Auge reicht. Allein schon für diese Aussicht hat sich der Aufstieg gelohnt. Und all diese Berge können theoretisch per Ski befahren werden. Vor Entzücken hat es überall zu kribbeln begonnen.

Nachdem Umziehen, einer kleinen Stärkung mit Datteln und dem Verstauen der Felle wartet schon die nächste Herausforderung und der eigentliche Höhepunkt des Tages: die Abfahrt!

Kevin Guri-Menuires © P. Lebeau

Nach einander sind wir den unbefahrenen Hang hinunter gefahren. Wow- wie genial war das denn!!! "Don't be shy, make your own track! Juhu!!!" rief Boris und schoss abwärts. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit!!! Endorphine und Adrenalin haben den Körper zu geflutet und versetzten jeden in eine Art Rausch. Unvorstellbar, dass es dort so viel, von diesen unbefahrenen Hängen gibt. Das ist einzigartig!

Nach diesem Erlebnis bin auch ich vom Freeride-Virus infiziert!

Falls einem aber nicht der Sinn nach freeride steht, so haben Les Menuires und Val D'Isere dennoch viel zu bieten.

Sonnenuntergang in Les Menuires © G. Lansard

Les Menuires liegt auf 1850 Meter Höhe und ist ein Teil vom Skigebiet 3-Vallee, welches zu den größten der Welt gehört. Neben dem großen Gebiet für Freerider wie "Pointe de la Masse" (Vallée des Encombres, Vallon de Geffriand und Combe des Yvoses) oder auf der anderen Seite des Tals unterhalb des" Mont de la Chambre" (Tougnete) erstrecken sich zusätzlich noch 600 Pistenkilometer.

Freeride im Skigebiet Les Menuires © Sandra Augustin

Auf 2190 m © Sandra Augustin

Les Menuires ist architektonisch schon seit längerer Zeit im Umbruch. Die Bettburgen die wir mit Frankreich und Skifahren verbinden, weichen allmählich Chalets in traditioneller Bauweise. Dennoch sind hier und da Relikte aus der Vergangenheit zu bestaunen. Nichts desto trotz scheint hier eine Charmeoffensive gestartet zu sein. Überall, ob im Ort oder auf den Pisten, sind alle offen und sehr freundlich. Und dann auch noch das leckere Essen! Die französische Küche ist eben besonders. Die Hütten zum Einkehren im Skigebiet sind liebevoll eingerichtet und die Auswahl an kulinarischen Köstlichkeiten ist super. Es wird einem nicht leicht gemacht wieder auf die Ski zu steigen, wo es doch so gemütlich und lecker war. Ob Tartiflette, Pot-au-feu oder zum Nachtisch der berühmte Café Gourmand, köstlich!!!! Je schwerer einem der Aufbruch nach der Rast gemacht wird, umso leichter wird der Geldbeutel. Schnell sind 50 € pro Person weg. Aber bei "Chez Pépé Nicolas" lohnt es sich allein schon wegen des Ambientes und seiner Geschichte.

Einkehr bei Chez Pépé Nicolas © Sandra Augustin

Pépé erzählt © Sandra Augustin

Köstliche Dickmacher © Sandra Augustin

Abends nach einem Skitag besteht die Möglichkeit in dem neu eröffneten "Aquafun & Wellness Centre" zu relaxen. Wer 65 °C Sauna, ein Dampfbad ohne Abspülschlauch und jede Menge Jacuzzis mag, ist hier gut aufgehoben.

Unterkünfte gibt es auch für den etwas schlankeren Geldbeutel.

Val d'Isère am Abend © Sandra Augustin

Infos zu Les Menuires:  

Anreise: Flug bis Genf, von dort 3 Stunden Transfer zum Skiresort
mit der Bahn: bis Bourg St. Maurice. Von dort sind es noch 30 Km bis zu den Skiresorts
Touristenbüro
: Les Menuires
Weitere Infos als pdf hier zum Herunterladen.
Saison: 14.12.2015 bis 29.04.2016
Pistenkarte (für eine größere Ansicht auf Karte klicken):

Val d'Isère liegt ebenfalls auf 1850 Meter Höhe und gehört zu dem Skigebiet Espace Killy mit 300 Pistenkilometern. Val d'Isère ist ein mondäner Skiort, dem es gelungen ist, durch das Festhalten an traditioneller Bauweise, seinen ursprünglichen Charme, den eines Bergdorfes, zu bewahren. Die berüchtigten Bettenburgen sind hier kein Thema. Dafür gibt es hier mehrere 5 und 4 Sterne Hotels. Dementsprechend liegen die Übernachtungskosten auch im höheren Preissegment. Die Auswahl an Sportgeschäften und Skischulen ist super. Der ambitionierte Skifahrer ist hier perfekt aufgehoben. Und wem das Skifahren noch nicht genügt, der kann abends sich noch im Schwimm- und Sportzentrum auspowern! Der große Spa-Bereich im Sportzentrum lässt jedoch keine wirkliche Entspannung zu. Dafür ist einfach zu viel los. Für ein Durchwärmen der Muskeln reicht es jedoch. Wie überall in Frankreich laden auch hier die Hütten an den Pisten und die Restaurants im Tal zum Verweilen ein. Vorsicht, immer sorgsam die Speisekarte lesen und gegebenenfalls nachfragen! Wer meint, bei der Bestellung eines "Burger Landais" etwas Grundsolides bestellt zu haben, der irrt sich. Es wird ein Brötchen in dem sich zerkleinertest Entenfleisch (so wie es die Franzosen lieben, also noch recht blutig) mit einer großzügigen Schicht gebratener "Foie gras" verbirgt, serviert. Das ist schon speziell. Neben den Ski-Aktivitäten bietet Val d'Isère eine Vielzahl an weiteren Aktivitäten, wie zum Beispiel Ice-Climbing oder Ice-Driving.

Infos zu Val d'Isère:        

Anreise: Flug bis Genf, von dort drei Stunden Transfer zum Ort
Bahn bis Bourg St. Maurice. Von dort sind es noch ca. 30 Km bis zum Skiresort
Touristenbüro:
Val d'Isère
Weitere Infos zu Val d'Isère finden Sie
hier. 

Pistenkarte (für eine größere Ansicht auf Karte klicken):

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